Kategorien: Werkzeuge

Über den Autor:

Detlef Beyer

Detlef Beyer ist ein Kölner Experte im Bereich Gebrauchs­­tauglich­­keit (Usability) und Barriere­­freiheit. Detlef war als Lehr­­beauftragter an der Uni Duisburg-Essen und an der FH Köln aktiv. Er hat vielfältige Artikel in Fach­­zeitschriften veröffentlicht. Workshops und Vorträge sind ein weiterer Schwer­­punkt seiner Arbeit. Er ist ebenfalls Geschäfts­­führer der Medienkonzepte GbR.
Professional Member der International Association of Accessibility Professionals
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Mann mit Nackenstütze im Rollstuhl

Wie prüft man auf eine barrierefreie Umsetzung?

Einer der ersten Schritt hin zu einer barrierefreien Website oder App ist das Testen der bestehenden Lösung. Dazu wird ein normierter Standard wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) Version 2.1 Stufe A und AA gewählt (damit ist man nah an den gesetzlichen Vorgaben und der EN 301 549). Gegen diese Norm wird nun das gesamte Angebot oder ausgewählte Bereiche geprüft. In der Regel ist es sinnvoller, sich am Anfang einen qualitativen Überblick über die Problemfelder zu verschaffen und weniger auf eine quantitative Erfassung aller Problemstellen zu zielen. Nur: wie findet man denn nun die Fehler? Das Einbinden von erfahrenen Experten und Expertinnen für Barrierefreiheit ist sicher eine der besseren Ideen.

Automatisch, einfach, schnell

Doch da gibt es doch eine Vielzahl von Werkzeugen für genau diese Aufgabe. Agenturen versprechen: „Mithilfe KI-gestützter Analysetools führen wir eine automatisierte Prüfung der Konformität auf Basis des AA-Standards der WCAG 2.2 durch“. Dann ist das doch alles ganz einfach? Künstliche Intelligenz (KI) muss gerade für viele Dinge herhalten, warum nicht auch für die Barrierefreiheit? Da die Prüfung darüber hinaus automatisch erfolgt, geht das sicher ganz schnell und preiswert. Dann folgt die Nennung der WCAG 2.2. Spätestens jetzt sollte ein Kunde stutzig werden. Ich hatte es schon einmal beschrieben, daher nur ganz kurz: zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gibt es eine Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSGV. Da findet sich einmal „Bei der Erfüllung der Anforderungen nach dieser Rechtsverordnung ist der Stand der Technik zu beachten“ und außerdem verweist das BFSG auf „harmonisierte Normen“ und damit landen wir bei der EN 301 549 öffnet sich in einem neuen Tab. Genauere Informationen wird uns dann die Bundesfachstelle Barrierefreiheit öffnet sich in einem neuen Tab mitteilen (aber nicht vor 2025, da der Bund bisher keine Gelder für die Arbeit zum BFSG bereitgestellt hat). Lange Rede, kurzer Sinn… die Europäische Norm bezieht sich auf die WCAG in Version 2.1 und nicht 2.2. Die WCAG kennt drei Stufen: A, AA und AAA. Um mit dem Gesetz konform zu gehen, sind die Stufen A und AA relevant. Es gibt keinen „AA Standard“.

Eine Vielfalt an Werkzeugen

Zurück zu den Werkzeugen. Es gibt kleine und größere Erweiterungen für den Browser, Websites wie den Contrast Checker öffnet sich in einem neuen Tab, PlugIns für Figma und umfangreiche Lösungen mit Fehlersuche, Reporting und mehr. Einige Angebote sind kostenlos, anderen kostenpflichtig. Die Marketingabteilungen sind natürlich nicht untätig. Mit Aussagen wie „Automated  Web Accessibility Solution Powered by AI“ oder „Accessibility solution that can do it all“ werden Versprechungen gemacht, die praktisch nicht einmal im Ansatz zu halten sind. Sehr viele Lösungen (ich tippe auf mehr als 90%) nutzen den Axe Core öffnet sich in einem neuen Tab. Diese Software Bibliothek ist dann die Basis für den Test einer Website auf Barrieren nach einer Norm, meistens nach den WCAG.

Eine kleine Liste von Werkzeugen hätte ich auch zur Hand:

Noch mehr finden sich bei Make Things Accessible öffnet sich in einem neuen Tab. Ich habe mir einige der kostenlosen Werkzeuge geschnappt und sie mit der am wenigsten barrierefreien Website der Welt öffnet sich in einem neuen Tab getestet. Nur als kleiner Ausschnitt hier ein paar Ergebnisse.

Testergebnisse:
axe-core PA11Y Site­Improve WAVE accessible­web ARC toolkit
Nicht gefunden 103 113 108 91 115 92
Problem gefunden 36 29 27 33 25 39
Nur ein Hinweis 3 0 7 18 2 10

Mehr als 28% der Fehler hat keines der Werkzeuge entdeckt. Diese Zahl wird z.B. von Deque öffnet sich in einem neuen Tab, dem Entwickler hinter AXE-Core, nicht bestritten. Sie behaupten allerdings, dass sich hinter dieser Zahl die wichtigsten und häufigsten Fehler verstecken. Aus Sicht dieses Anbieters sind die automatischen Werkzeuge daher viel besser als die 20-30% uns vermitteln.

Mühelos lässt sich Barrierefreiheit nicht erreichen

Jedes dieser Werkzeuge kann beim Aufbau einer barrierefreien Lösung helfen. Sie vermitteln einen ersten Eindruck und helfen durchaus bei der Arbeit. Trotzdem finden sie weniger als 1/3 aller möglichen Verstöße gegen die WCAG. Dabei ist die Erfüllung dieser Norm nur das Minimum für eine barrierefreie Lösung. Zusätzlich liefern die Werkzeuge viele Treffer, die praktisch kein Problem darstellen. Hier braucht man Wissen und eine manuelle Prüfung ist letztendlich unvermeidbar.

Zum Schluss noch ein kurzer Ausblick auf das Testen von nativen Apps. Automatisierte Werkzeuge für native Apps sind bisher kaum aufgetaucht. Zum einen macht insbesondere Apple es den Entwicklern solcher Werkzeuge sehr schwer und zum anderen gibt es ja einen Accessibility Inspector öffnet sich in einem neuen Tab von Apple und den Accessibility Scanner öffnet sich in einem neuen Tab von Google. Beide Tools bieten eine Menge an Funktionen um sich mit der Barrierefreiheit einer App auseinanderzusetzen. Da muss ein neues Werkzeug erst einmal ran kommen.

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